“Ein Humanist ungewöhnlich weiten Horizonts”

Über Deschners weltanschauliche Auffassung sprach der Humanistische Pressedienst (hpd) mit dem Philosophen Hermann Josef Schmidt, der ihm über lange Jahre freundschaftlich verbunden war.

hpdWenn Sie bei­de mit­ein­an­der tele­fo­nier­ten, wie lan­ge dreh­te sich das Gespräch um Kir­che und Reli­gi­on?

Her­mann Josef Schmidt: “Kir­che” spiel­te nur noch eine Rol­le, wenn wir uns belus­tigt Sto­rys erzäh­len woll­ten. “Reli­gi­on” hin­ge­gen, wenn wir uns bei­spiels­wei­se bei spe­zi­el­len Ver­hal­tens­wei­sen frag­ten, ob dabei noch reli­giö­se Prä­gun­gen wie Schuld­ge­füh­ler­zie­hung eine erschwe­ren­de Rol­le spie­len könn­ten.


Dann war Desch­ner gar nicht so auf die Kir­che fixiert, wie ihm hin und wie­der vor­ge­wor­fen wur­de?

Nein, das war er wirk­lich nicht. Dafür war er doch viel zu intel­li­gent. Man muss frei­lich erin­nern, dass Reli­gi­ons­kri­tik Basis fast jeder Kri­tik ist und dass in der Gene­ra­ti­on Desch­ners die Kar­rie­re eines Kri­ti­kers meist als Kirchen‑, spä­ter Chris­ten­tums- und noch spä­ter Reli­gi­ons­kri­ti­ker begann. Den­noch: Er hat­te wohl bis 1962 geglaubt, mit dem Abschluss sei­ner fas­zi­nie­ren­den kri­ti­schen Kir­chen­ge­schich­te “Aber­mals kräh­te der Hahn” sei­ne Arbeit getan zu haben. Der Band ist ja noch heu­te uner­setz­lich.

Viel­leicht erst der immense Wider­stand sowie das dabei demons­trier­te irri­tie­rend erbärm­li­che Argu­men­ta­ti­ons­ni­veau sog. Kri­ti­ker, eben­so frei­lich die über­ra­schen­de Flut ermu­ti­gen­der Auf­for­de­run­gen, sei­ne Arbeit doch spe­zi­fi­scher wei­ter­füh­ren zu wol­len, und zahl­rei­che per­sön­li­che Brie­fe zeig­ten ihm: Streng genom­men konn­te der “Hahn” erst die Ouver­tü­re sein. Die Erar­bei­tung einer auch ins Detail gehen­den Kri­mi­nal­ge­schich­te des Chris­ten­tums inklu­si­ve der faschis­mus­för­dern­den Poli­tik neue­rer Päps­te, einer Sexu­al­ge­schich­te usf. durch eine so unab­hän­gi­ge, scharf­sin­ni­ge, inte­gre und sprach­lich poten­te Per­son wie Desch­ner war unum­gäng­lich. Sein jahr­zehn­te­lan­ges Waten durch die­sen Morast – eine heroi­sche Tat – ver­dient höchs­ten Respekt.

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